Diesen Städtetrip hatten wir schon länger im Kopf. Wir fahren ja oft an Brüssel vorbei. Immer Richtung Urlaub und immer mit dem festen Vorsatz: Da müssen wir mal hin. Und wie das so ist mit diesen „mal“s – sie passieren meistens nicht.
„Hier müssen wir unbedingt im Sommer noch mal hin.“
„Das müssen wir uns irgendwann noch mal in Ruhe ansehen.“
Dieses Mal ist es aber endlich soweit. Unser Plan: Gemütlich durch die Innenstadt schlendern, belgische Pommes und Waffeln probieren, belgisches Bier trinken – eben alles, was man als guter Tourist so macht.
Ein paar Tage vor der Abfahrt stoßen wir zufällig auf einen alten Internet-Artikel. Laut einer Umfrage einer US-amerikanischen Touristikwebsite im Jahr 2008, bei der 1.100 amerikanische Europa-Urlauber befragt wurden, gilt Brüssel als „langweiligster touristischer Anziehungspunkt Europas“.
Typisch, oder? Kaum hat man sich auf etwas Neues gefreut, schon taucht irgendwo ein Kommentar, ein Artikel oder eine Meinung auf, die das Ganze in Frage stellt. So eine Info, die einfach nicht ins schöne Bild passen will.
Aber vielleicht ist es ja gerade das, was einen dann besonders neugierig macht. Wenn alle sagen: „Das ist nichts“, dann will man doch erst recht wissen, ob es wirklich stimmt. Und genau so fahren wir los: Mit einer gesunden Portion Skepsis und umso größerer Entdeckerlust.
Frühstart am Atomium
Unser erster Stopp ist das Atomium. Es ist nicht nur das Wahrzeichen von Brüssel, sondern auch ein echtes architektonisches Kuriosum. Es wurde zur Weltausstellung Expo 58 erbaut und stellt ein 165-milliardenfach vergrößertes Eisenkristall dar – neun glänzende Kugeln, verbunden durch Röhren.
Ursprünglich sollte das futuristische Bauwerk nach der Expo wieder abgebaut werden – zum Glück kam es anders. Heute gehört es zu den meistbesuchten Attraktionen Belgiens und ist eines der ungewöhnlichsten Bauwerke Europas.
Für uns heute nur ein kurzer Fotostopp – wir sind einfach zu früh dran, vor 10 Uhr ist hier noch alles geschlossen. Hier müssen wir unbedingt nochmal hin und es uns bei schönem Wetter ansehen. Vielleicht im Sommer.


Atomium
Adresse: Square de l’Atomium, 1020 Brüssel
Eintritt: 16 € für Erwachsene, 8,50 € für Jugendliche
Parken: 8 € (Tagesticket)
Öffnungszeiten: täglich 10–18 Uhr (bis auf wenige Ausnahmen im Jahr)
Zwischen Pracht und Posen: Grand Place & Manneken Pis
Weiter geht es in die Innenstadt. Wir parken im Interparking Grand Place. Nicht günstig, aber zentral gelegen. Von dort ist es ein gerade einmal fünfminütiger Fußweg zum Grand Place. Dieser ist mit seinen goldenen Verzierungen, Giebeln und Türmchen wirklich beeindruckend, sogar an einem kalten, grauen Tag im März wie heute.
Durch die Rue de l’Étuve geht es zum Manneken Pis, einem weiteren Wahrzeichen Brüssels und natürlich auch Anlaufstelle für uns. Der Brunnen selbst ist recht unscheinbar und ich hätte ihn ehrlich gesagt übersehen, wenn sich nicht die Touristenmassen davor gedrängt hätten. In einer ungestörten Sekunde kann ich ein paar Bilder durch den Zaun machen, nur um dann teils fassungslos und teils amüsiert zuzusehen, wie die Menschen in einer Art von Selbstinszenierungsdrang mit Duckface und Victory-Zeichen Selfies vor einer pinkelnden Bronzefigur machen.






Grand Place, Manneken Pis & Interparking Grand Place
Grand Place & Manneken Pis
Adresse (Manneken Pis): Rue de l’Étuve 31, 1000 Brüssel
Eintritt: Kostenlos
Interparking Grand Place
Adresse: Rue du Marché aux Herbes 104
Preis: 1h für 4 €, Tagesticket 25 €
Die Galeries Royales Saint-Hubert
Ein kurzer Abstecher führt uns in die Galeries Royales Saint-Hubert, eine der ältesten überdachten Einkaufspassagen Europas – und mit seinem hohen Glasdach und den kunstvolle Fassaden ein echtes Schmuckstück.
Die 1847 eröffnete, 200 Meter lange Passage zählt zu den stilistischen Vorläufern moderner Einkaufsgalerien. Gemeinsam mit der Passage in Sankt Petersburg und der berühmten Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand hatte sie großen Einfluss auf die spätere Gestaltung von Ladenpassagen in ganz Europa.
Doch im Gegensatz zu heutigen Einkaufszentren strahlt sie keinen Konsumdruck aus – sondern einen Hauch von Grandezza. Statt hektischem Shoppen gibt es hier entspanntes Flanieren: Vorbei an Pralinenläden mit kunstvoll aufgereihten Trüffeln, stilvollen Boutiquen und kleinen Cafés.



Galeries Royales Saint-Hubert
Adresse: Galerie du Roi 5, 1000 Brussel, Belgien
Website: https://www.grsh.be
Bierpause im Au Brasseur – mit Preisvergleich international
Die Auswahl an Restaurants, Bars und Cafés in der Brüsseler Innenstadt ist wirklich beeindruckend – an jeder Ecke duftet es nach Waffeln und fast überall sieht es so aus, als könnte man sich dort gerne mal für ein, zwei Stunden verlieren.
Da es immer noch eisig kalt ist, entscheiden wir uns für eine Einkehr ins Au Brasseur – eine gemütliche Eck-Kneipe, in der vor 12 Uhr dank eines Junggesellenabschiedes schon beste Stimmung herrscht.
Die Preise sind mit durchschnittlich 8 Euro für ein halber Liter nicht gerade günstig – aber, wie wir aus Erfahrung sagen können, definitiv nicht das teuerste Bier, das wir je getrunken haben. Die Krone trägt bei uns nach wie vor die Capitol One Arena in Washington D.C., wo uns einst eine Dose (1 US Pint) 15 Dollar kostete – umgerechnet also knapp 30 Euro pro Liter. Dicht gefolgt vom Louvre, wo wir seinerzeit für ein 0,25-Liter-Glas 7 Euro bezahlt haben. Das günstigste Bier (ca. 2,60 Euro/0,5 l) haben wir bisher in Prag im Naše Maso bekommen, wo man es sich selbst frisch aus einem Zapfhahn in der Wand zapfen kann. Darüber habe ich auch in meinem Bericht über unseren Prag-Kurztrip geschrieben.
Au Brasseur
Adresse: Rue du Marché aux Fromages 3, 1000 Bruxelles, Belgien
Öffnungszeiten: Mo–So 11:00 Uhr–1:00 Uhr
Nebenan befindet sich das Ballekes – ein gemütliches Lokal, das belgische Küche auf moderne Weise interpretiert. Dort wollen wir essen gehen. Doch noch ist es geschlossen und wir überbrücken die Wartezeit im Au Brasseur bei einem Getränk und bestem Ausblick auf das lebhafte Treiben vor der Tür.
Mittagessen im Ballekes
Es ist 12:00 Uhr und wir können umziehen. Das Ballekes wirkt gleichzeitig urban und heimelig. Grob verputzte Wände, Holz, Metall und industrielle Lampen an hohen Decken schaffen eine Mischung aus Brasserie-Flair und modernem Streetfood-Ambiente. Die offene Küche gibt den Blick frei auf das, was gleich auf unseren Tellern landen wird.
Die Karte ist eine gekonnte Mischung aus Einfachheit und Vielfalt und wir probieren uns begeistert einmal quer hindurch: Fleischbällchen mit verschiedenen Saucen, knusprige Fritten, Salat und regionales Bier. Mein persönliches Highlight ist die Sauce Lapin: eine kräftige, leicht süßliche Soße mit Zwiebeln, Sirop de Liège, dunklem Bier und einem Hauch von Thymian. (Die muss ich unbedingt nachkochen!) Serviert wird alles in gusseisernen Pfännchen auf Holzbrettern. Das Essen hier ist definitiv ein Erlebnis!
Satt und zufrieden verlassen wir das Ballekes – bereit, um unsere Tour durch die Stadt fortzusetzen.





Ballekes
Adresse: Rue des Chapeliers 3, 1000 Bruxelles, Belgien
Öffnungszeiten: Mo–So 12:00 Uhr–15:30 Uhr und 18:00 Uhr–21:30 Uhr
Instagram: https://www.instagram.com/ballekes/
Auf dem Kunstberg
Wir machen uns auf den Weg zum Kunstberg, dem Mont des Arts – einem der beliebtesten Aussichtspunkte in Brüssel. Die Anlage liegt nur wenige Minuten entfernt und bietet einen schönen Kontrast zum geschäftigen Treiben der Innenstadt. Breite Treppen, kunstvoll angelegte Gärten und symmetrische Wege führen hinauf zu einem Aussichtspunkt, der den Blick über die Stadt freigibt. Das Wetter meint es gut mit uns: Die Wolken ziehen langsam weiter, und schließlich kommt sogar die Sonne raus.



Mont des Arts
Adresse: 1000 Brussels, Belgien
Im Schokoladenmuseum
Das Schokoladenmuseum empfiehlt, Tickets mindestens zwei Stunden im Voraus online zu buchen, um Wartezeiten zu vermeiden und bevorzugten Einlass zu erhalten. Da wir uns aber spontan entschieden haben, das Museum zu besuchen, stehen wir kurzerhand ohne Reservierung vor der Tür – in der Hoffnung, dass es trotzdem klappt. Wir haben Glück: Gerade wird eine größere Gruppe eingelassen, die Warteschlange löst sich auf, und wir rücken ganz nach vorn. Keine zehn Minuten später betreten wir das Museum. Manchmal klappt’s einfach.
Die Ausstellung ist sehr anschaulich und gut gemacht. Wir erfahren vieles über die Geschichte der Schokolade, über Anbau und Herstellung. Alles ist modern aufbereitet, mit vielen interaktiven Stationen, die auch für Kinder geeignet sind. Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Kostproben, die den Rundgang nicht nur informativ, sondern auch sehr kalorienreich machen. Am Ende der Tour schauen wir einem Chocolatier bei der Pralinenherstellung über die Schulter – und natürlich darf auch hier jeder ein Stück probieren. Schon lange haben wir nicht mehr so viel Schokolade gegessen wie heute.



Choco-Story Brüssel
Adresse: Rue de l’Etuve 41, 1000 Brüssel, Belgien
Eintrittspreise: Erwachsene 14,00 €, Jugendliche (12–26 J.) 12,00 €, Kinder (3–11 J.) 8,00 €, Senioren: 12,00 €, Kinder (0–2 J.) frei
Vorführung, Verkostung und Audioguide sind im Preis enthalten.
Öffnungszeiten: Mo–So 10:00 Uhr–17:00 Uhr
Ein letztes Muss: Belgische Waffeln zum Abschluss
Eigentlich sind wir längst satt, aber eine belgische Waffel darf am Ende des Ausfluges trotzdem nicht fehlen. Die Auswahl ist riesig: ob klassisch mit Puderzucker, mit Sahne, Früchten oder warmer Schokolade – hier findet wirklich jeder seine Lieblingsvariante. Während wir in der Schlange stehen, können wir bei der Herstellung zusehen. Das Warten lohnt sich und wir können zufrieden nach Hause fahren.



Ist Brüssel nun langweilig?
Brüssel scheint oft unterschätzt zu werden. Vielleicht, weil es keine typische Postkartenstadt ist. Vielleicht, weil es auf dem Weg nach England und Nordfrankreich nur als Durchgangsstation wahrgenommen wird – wie ja auch zuvor oft von uns. Nach unserem Besuch können wir sagen: Für uns trifft das nicht zu.
Brüssels Straßen wirken lebendig, aber nie gehetzt. Die Stadt überrascht mit einer Mischung aus Prachtbauten und urbaner Bodenständigkeit. Mit barocker Eleganz und modernem Charme. Sie hat Ecken, an denen man sich verliert, und Winkel, die man gern nochmal in Ruhe entdecken möchte. Brüssel ist weder überladen noch aufgesetzt – sondern genau richtig für alle, die neugierig sind, aber keine Lust auf touristische Überforderung haben.
Und ja: Wir sind froh, dass wir dieses „Da müssen wir mal hin“ endlich in ein „Da waren wir“ verwandelt haben.
Brüssel ist vieles. Langweilig gehört nicht dazu.
